Altstadtkirchen Hahn, Schwan, Engel
Stolberg
Rückblickend betrachtet entstand mit dem Zuzug von Protestanten und Lutheranern im 16. und 17. Jahrhundert in Stolberg eine Bevölkerungsstruktur, die an den modern-saloppen Ausdruck „Multi-Kulti“ erinnert. Sicher ist, dass die protestantischen Kupfermeister und die lutheranischen Arbeiter den katholischen Territorialherren (Jülicher Lehensleute und Äbte von Kornelimünster) willkommen waren.
Unklar muss allerdings bleiben, ob hierfür eine tolerante Gesinnung ausschlaggebend war, oder ob fiskalische Erwägungen im Vordergrund standen.
Wie dem auch sei, im 17. Jahrhundert gesellten sich zu der katholischen St. Lucia-Kirche die lutheranische Vogelsangkirche sowie die protestantische Finkenbergkirche hinzu, die sich in trauter „Dreisamkeit“ (auch geographisch) aus den Niederungen der Altstadt erheben.
In Anspielung auf die Wetterfahnen dieser drei Altstadtkirchen (Hahn, Schwan, Engel) prägte der katholische Pfarrer Roland Ritzefeld um 1850 den Spruch:
D'r katkollische Hahn,
D'r evangällische Schwan
Un d'r protestantische Engel
Driehne all an eene Schwängel.
(Drehen alle an einer Kurbel)
Wenn auch humoristisch gemeint, lässt dieser Vierzeiler eine für die damalige Zeit bemerkenswerte Toleranz erkennen.
Unsere drei Altstadtkirchen sind nicht nur Spiegelbild geschichtlicher Entwicklungen, sie weisen auch - jede für sich - Besonderheiten auf, die es zu entdecken gilt.
Kirche St. Lucia (Hahn)
Die heutige St. Lucia Kirche ist aus der ehemaligen Burgkapelle hervorgegangen. Eine erste Abbildung stammt aus dem Jahre 1544.
1650 wurde in der Burgkapelle, die der "Heiligen Dreifaltigkeit" geweiht war, ein neuer Hochaltar eingeweiht. Im Jahre 1716 kamen zwei Seitenaltäre hinzu, den linken weihte man der Gottesmutter, den rechten der heiligen Lucia. Seit Anfang des 19. Jahrhundert ist die heilige Lucia Schutzpatronin.
Der Hahn als Krönung des Abschlusses der Brüstungsmauer der Treppe, der symbolisch die Gläubigen zum Gottesdienst ruft, und die Reliefs im Eingangsbereich sind stilsicher dem Jugendstil zuzuordnen. An die alte Bausubstanz erinnern im Inneren noch die Turmpfeiler.
Vogelsangkirche (Schwan)
Im Jahre 1647 kaufte die lutherische Gemeinde, die damals ihre Gottesdienste in einem Speicherraum eines Hauses in der Enkerei hielt, ein Grundstück, das sie den "Kreuzhof" nannte.
Nach dem Kauf des Grundstücks starb plötzlich und unerwartet der Pastor der Gemeinde. Der neue Pfarrer Erasmus Blum erklärte sich 1647 gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges bereit, das Wagnis einer Kollektenreise zur Beschaffung der Geldmittel für einen Kirchenbau auf sich zu nehmen und bereiste zahlreiche Städte und Fürstentümer im Deutschen Reich. So enstand die Kirche, die 1647 begonnen und Weihnachten 1650 geweiht wurde. Der Sakralbau und Wohngebäude des Pfarrers befanden sich unter einem Dach. Später diente das Haus auch als Schulgebäude und Küsterwohnung. Über dem Kircheneingang steht die Inschrift: " Herr laß deine Augen offen stehn über dieses Haus, Nacht und Tag über die Stätte, davon du gesagt hast: mein Name soll da sein." (1. König 8,29-.)
Auf dem Dach sehen wir einen Schwan als Wetterfahne. Der Schwan steht symbolisch für die Vereinigung der Seele des gläubigen Menschen, nach dem Tode, mit dem Geist Gottes. Der Friedhof der lutherischen Gemeinde wurde 1686 angelegt. Im Inneren der Kirche sind Relief-Grabtafeln erhalten, die auf Beisetzungen in der Kirche hinweisen. Mittelpunkt und Blickfang ist der Predigtstuhl über dem Altar. Rechts steht der Taufstein, links hinter der Sichtblende der Predigervorbereitungsstuhl.
Die Finkenbergkirche (Engel)
Die Ausstattung der evangelischen Kirche ist traditionell schlicht. Nichts sollte die Andacht der Reformierten stören. Bilder und Skulpturen waren unerwünscht. Das führte allerdings nicht zum Verzicht auf Kostbarkeiten.
Den Mittelpunkt der Kirche bildet der Predigerstuhl, der von einem Pelikan getragen wird. Er gilt als Sinnbild für den opferbereiten Christus, der seine Jungen mit seinem eigenen Blut nährte. Raritäten sind die sakralen Gegenstände aus dem 18. Jahrhundert.
Die Finkenbergkirche besaß Vorgängerbauten. Den Anfang machte eine kleine Kapelle aus dem Jahre 1617. Im Jahre 1671 entstand eine neue Kirche, die 1725 wiederum einem Nachfolgebau weichen mußte. 1686 wurde ein steinerne Turm errichtet, der heute noch von der Wetterfahne in Gestalt eines Engels mit Posaune gekrönt wird.
Der Bau aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhundert ist das Werk des Baumeisters Tillmann Roland.
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